RKK-Chef: „Party statt Bütt funktioniert nicht“



Rhein-Zeitung-Interview mit Peter Müller vom 09.02.2009


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Präsident Peter Müller schwört die Vereine auf den Brauchtumserhalt ein – Karnevalstradition ist zukunftsfähig



Peter Müller war schon zweimal Karnevalsprinz
KOBLENZ. Rund 1111 Mitgliedsvereine mit mehr als 500 000 Aktiven aus der ganzen Republik und den Beneluxländern: Mit dieser närrischen Streitmacht ist der RKK, der Verband Rheinischer Karnevals Korporationen mit Sitz in Koblenz der zweitgrößte Dachverband von Karnevalisten in Deutschland. Im Oktober 2007 hat Peter Müller (49) aus Gebhardshain im Kreis Altenkirchen die RKK-Präsidentschaft übernommen – ein Steuermann, der das RKK-Narrenschiff in sichere Zukunftsgewässer manövrieren möchte.


Herr Müller, am morgigen Dienstag trifft sich der karnevalistische Hochadel im Koblenzer Löhr-Center. Wie lange wird es solche Prinzentreffen noch geben? Sind närrische Blaublüter nicht eine aussterbende Zunft, weil es immer schwerer gelingt, Tollitäten zu rekrutieren?


 Nein, es gibt kein Prinzenproblem. Und Prinz zu sein, ist heute auch keine Frage des Geldes mehr. Einen Großteil der Kosten tragen die Vereine, die den Tollitäten nicht selten alles stellen: Wagen, Wurfmaterial, sogar das Kostüm. So nimmt die Zahl der Prinzenpaare unter dem Dach des RKK sogar stetig zu: Selbst kleinere Vereine im ländlichen Raum haben immer häufiger eigene Regenten.


Die dann vor leeren Sälen jubeln müssen. Es gibt Vereine, die sichtlich Probleme haben, ihre Hallen noch voll zu bekommen.

Ja, aber die machen etwas falsch, setzen auf die falschen Zugpferde. Das Beispiel Niederwerth,Peter Müller als Karnevalsprinz wo alle neun Sitzungen des örtlichen Karnevalsvereins restlos ausverkauft sind, zeigt, dass das rheinische Brauchtum auch im 21. Jahrhundert zukunftsfähig ist. Dafür müssen aber die Parameter stimmen: Gute Büttenredner aus den eigenen Reihen statt eingekaufte B-Ware. In die Bütt gehört Lokalkolorit und keine platten Witze-Erzähler, die von Sitzung zu Sitzung tingeln. Wer dann noch gute Tanzgruppen und eine gute Sitzungskapelle bietet, hat kein Publikumsproblem. Absolut falsch ist es auch, statt einer Kappensitzung eine Art Musikparty veranstalten zu wollen. Das hat mit Karneval nichts mehr zu tun und wird nicht lange gutgehen.


Mit Party und Musik lockt man aber doch die jungen Leute an. Muss sich das Brauchtum nicht verändern und öffnen, damit auch die jüngere Generation den Sprung auf das Narrenschiff wagt?

Nein, Brauchtum ist auch Tradition. Und wer die Tradition über Bord wirft, gerät in eine Schieflage und wird langfristig untergehen. Die Jugend kann man auch auf anderem Wege ins Boot holen. Gute Jugendarbeit von Karnevalsvereinen zeichnet sich dadurch aus, dass sie das ganze Jahr über läuft und nicht nur in den Wochen vor der Session. Tanzgruppen, die ihre jungen Leute in den Ferien auch mal in ein Zeltlager schicken oder einen Freizeitpark besuchen, haben kein Nachwuchsproblem.


Von einigen Vereinen hört man, dass es Probleme mit den Musikkapellen gibt. Die wollen bei den Umzügen nicht mehr spielen, weil sie die Lautsprecher-Musik von den Festwagen stört.

Das ist in der Tat ein Problem. Es gibt nicht wenige Kapellen, die verlangen 800 bis 1000 Euro für einen Umzug. Das sind aber absolut utopische Preisvorstellungen, die zur Folge haben, dass es auf Der Fanfarenzug Grün-Weiß Bad Salzig während eines Umzugesden Umzügen immer weniger Livemusik gibt. Leidtragende sind dann die Kapellen, die noch mit marschieren und gegen das Lautsprecher-Gewitter anspielen. Bleibt also nur zu hoffen, dass einige Musikvereine ihre Preisvorstellungen nach unten korrigieren und die Livemusik flächendeckend in die Umzüge zurückkehrt.


Das Gespräch führte Annette Hoppen